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Das VIG stellt hohe Ansprüche an die Kommunikation

In Zeiten des neuen Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) wird Unternehmen dazu geraten, rechtzeitig eine Krisenkommunikationsstrategie zu entwickeln. Teil 3 der Blog-Reihe von crossrelations gibt die Meinung von Verbraucherschutzorganisationen bezüglich der Gesetzesänderung wieder und bietet Unternehmen Hinweise zu möglichen Konsequenzen für die Kommunikationspraxis.  

Man könnte annehmen, dass Verbraucherschutzorganisationen sich angesichts der neuen Rechtslage und Besorgnisse bei Behörden und Industrie die Hände reiben. Dem ist ganz offensichtlich nicht so. So haben die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) und die Verbraucherschutzorganisation foodwatch e. V. den Änderungsentwurf des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) der Bundesregierung umgehend als unzureichend kritisiert. Die Verbraucherschützer bemängeln eine Bestimmung, die es den verantwortlichen Behörden ermöglicht, Anträge von Verbrauchern und Organisationen ohne größere Begründung abzulehnen. Tatsächlich sieht das Gesetz vor, dass ein Antrag abgelehnt werden kann, falls die Behörde durch dessen Bearbeitung die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben beeinträchtigt sieht. Seitens der klageberechtigten Organisationen sieht man offenbar diese Bedingungen schon in naher Zukunft erfüllt und fürchtet, das neue Recht könnte ein hohles Versprechen werden.

Kommunikative Prävention ist gefragt

Nimmt man die Reaktionen von Unternehmen, Behörden und selbst der Verbraucherschutzverbände zum Maßstab, wird das neue Recht die Versprechungen der Politik kaum einlösen können. Dem beabsichtigten „Mehr an Information“ könnte zunächst ein „Mehr an Konfusion“ folgen. Und dies – deshalb befasst sich crossrelations an dieser Stelle mit dem Thema – hätte ernst zu nehmende Auswirkungen auf die Marktbeziehungen und Kommunikationserfordernisse von Unternehmen.

In den Kommunikationsabteilungen, vor allem der Lebensmittelerzeuger, wird es nicht mehr ausreichen, das Krisenhandbuch in der Schublade zu haben. Gefragt sind jetzt präventive Konzepte: das Durchspielen von Szenarien, die Identifikation kommunikativer Schwachstellen und das Schärfen der Monitoring-Instrumente. Dabei ist noch nicht einmal die Frage, ob die Krise ihren Ausgangspunkt im eigenen Produkt haben wird. Wie die Skandalisierungen der letzten Zeit zeigen, reicht eine punktuelle Produktkrise aus, um eine ganze Branche unter Verdacht zu stellen.

Stellen wir uns einfach ein Unternehmen vor, das im Verdacht steht, sein Produkt mit gesundheitsgefährdenden Stoffen verunreinigt zu haben. Ein stark verkürzter Anhörungszeitraum durch das VIG lässt es nicht zu, dass die Firma den eigentlichen Verursacher in der Lieferkette identifiziert, so dass sie sich deshalb nach Veröffentlichung durch die zuständige Behörde in der öffentlichen Ächtung wiederfindet. Die besonderen Umstände, wie laufendes behördliches Verfahren, unternehmensinterne Klärungsprozesse und einsetzender öffentlicher Druck, lassen keine angemessene kommunikative Bearbeitung des Sachverhalts zu. Deshalb ist es wichtig, dass sich Unternehmen vor dem Inkrafttreten des VIG zu einer Kommunikationsstrategie, die angewendet werden kann, sollte der worst case tatsächlich eintreten, beraten lassen.

Was bedeutet es aber, wenn die zuständigen Behörden ohne Ermessensspielraum verpflichtet werden, die vorliegenden Ergebnisse der amtlichen Lebens- und Futtermittelüberwachung über alle Rechtsverstöße durch Grenzwertüberschreitungen umgehend und gegebenenfalls auch ohne Anhörung zu veröffentlichen?

Für Unternehmen war die bisherige Praxis eines ordentlichen Anhörungsverfahrens unverzichtbar in der Wahrung ihrer Interessen. Viele Unternehmen haben erst durch eine Anhörung von einem gegen sie vorliegenden Verdacht erfahren.

Was passiert nun nach dem 1. September? Möglicherweise werden Behörden wie Unternehmen einen pragmatischen Modus finden. Aber der nächste Lebensmittelskandal wird nicht lange auf sich warten lassen. Dann sollte man in der Unternehmenskommunikation nicht allein auf Pragmatismus vertrauen.

In Teil 1 der Serie haben wir Ihnen einen Überblick geben und in Teil zwei die Risiken für Unternehmen und Behörden aufgeschlüsselt.