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Integrated Reporting

Fast drei Jahre ist es her, dass das International Reporting Council (IIRC) mit einem Rahmenkonzept den Weg frei machte für eine integrierte Unternehmensberichterstattung. Doch bis heute ist die Resonanz bei Unternehmen eher verhalten geblieben. Wir haben uns die Gründe dafür näher angesehen.

Tatsächlich schien die Zeit gekommen zu sein, um das bestehende Denken in „Reporting-Silos“ – Geschäftsbericht, Umweltbericht, Nachhaltigkeitsbericht – aufzubrechen und die Zusammenhänge zwischen finanziellem Kapital und den anderen Kapitalformen neu zu betrachten, als das IIRC im Jahre 2014 nach nicht weniger als sieben Jahren die Eckpunkte für ein Rahmenkonzept verabschiedete. Nichts Geringeres als die Finanz- und Wirtschaftskrise hatte zuletzt die Einsicht vorangetrieben, dass die üblichen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen nicht mehr ausreichen und finanzielles und nicht-finanzielles Reporting nur zusammen hinreichend aussagekräftig sind.

Unternehmen bleiben zurückhaltend

Tatsächlich ist die Resonanz der deutschen Unternehmen auch im dritten Jahr nach Veröffentlichung der rechtlich unverbindlichen Richtlinien bescheiden geblieben. Nur wenige Unternehmen, wie Bayer, SAP, EnBW oder der Münchner Flughafen, haben sich entschlossen, sich an die Neuaufstellung ihres Reportings im Sinne der Empfehlungen zu machen. Verweigern sich die Unternehmen also einer integrierten Betrachtung? Davon kann nicht die Rede sein. Das zeigt eine wahre Flut an Geschäftsberichten, die seit 2014 substanziell mit nicht-finanziellen Leistungsdaten im Lagebericht ausgebaut wurden. Hintergrund dafür ist die im vorletzten Jahr wirksam gewordene Neuregelung des Rechnungslegungsstandards DRS 20. Die darin enthaltenen Anforderungen sehen nicht nur eine qualitative Stärkung der Prognose- und Chancenberichterstattung vor, sondern werten auch „non-financials“ auf, allen voran Nachhaltigkeitsaspekte. Allerdings sind sie auch recht einfach zu erfüllen. Erklärtes Ziel der Neuregelung ist es, das Vertrauen in den (Konzern-)Lagebericht zu erneuern.

Mehr Fragen als Antworten

Vertrauen erfordert Transparenz. Das gilt eben längst nicht mehr nur für die klassischen Stakeholder der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Auch Investoren haben gelernt, dass die traditionellen Finanzkennzahlen für sich keine hinreichende Einschätzung der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens liefern. Der Wunsch nach besseren Informationen und mehr Transparenz dürfte nach den Ereignissen der letzten Jahre nicht mehr abzuwehren sein. Es ist daher nur konsequent, dass die bestehenden Reporting-Instrumente in ihrer Wirksamkeit weiterentwickelt werden müssen und auch enger zusammenrücken. Doch momentan bestimmen Unsicherheiten das Bild. Das Verhalten vieler Unternehmen lässt aktuell zumindest mehr Fragen als Antworten erkennen:

„Warum sollen wir mehr berichten als das, was gefordert ist?“ – Die Unternehmen verhalten sich überwiegend Compliance-orientiert

Viele Unternehmen verhalten sich abwartend und orientieren sich weitgehend an dem, was der Gesetzgeber fordert. Sie folgen den Erfordernissen von DRS 20 und sehen sich damit auf einem Entwicklungspfad zur integrierten Berichterstattung. Die vorgesehenen Anforderungen der EU CSR-Berichtsrichtlinie könnten hier zu einem redundanten Reportingaufwand führen, wenn neben dem Konzernlagebericht noch weitere nicht-finanzielle Berichte entstünden. Die Sorge vor einem information overkill begleitet hörbar die Entwicklung der Reportingstandards und scheint nicht unbegründet.

Immerhin ist weltweit in den letzten Jahren ein Trend zur gesetzlichen Verankerung der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu beobachten. So waren Dänemark und die Niederlande die ersten Länder, die eine solche Berichtspflicht eingeführt haben. In Frankreich sind seit 2003 die größten börsennotierten Gesellschaften verpflichtet, innerhalb des Geschäftsberichts Zahlen und Informationen zum Umweltschutz und zu Mitarbeiterinteressen zu veröffentlichen. Am weitesten geht aktuell Südafrika: Dort verpflichtet der King III-Code die börsennotierten Unternehmen zum Integrated Reporting.

„Was bringt uns Integrated Reporting an Vorteilen?“ – Eine Umstellung mit fraglichem Nutzen.

Vieles von dem, was aktuell als „Integrierter Bericht“ vorgelegt wird, erweist sich bei näherer Betrachtung eher als „kombinierte Berichterstattung“ bei der Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht mehr oder weniger ineinander geschoben wurden. Das IIRC hat mit seinem Entwurf zwar Prinzipien benannt, aber darauf verzichtet, konkrete inhaltliche Vorgaben zu machen. Konzeptioneller Ausgangspunkt des IIRC ist jedoch „Integrated Thinking“: Darin sollen übergreifend die Beziehungen der verschiedenen operativen Einheiten und Funktionsbereiche als auch die für das Unternehmen entscheidenden wertschaffenden Kapitalarten fokussiert werden, um die langfristige Wertentwicklung steuern zu können. Damit tun sich viele Unternehmen aber offensichtlich noch schwer. Entweder lassen sich die damit einhergehenden und geforderten Managementansätze noch gar nicht darstellen, oder es gibt Befürchtungen so viele Informationen Preis zu geben.

„Was ist wesentlich?“ – Das Minenfeld „Materiality

Ein zentrales Element der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach GRI ist die sogenannte Materialitäts- oder Wesentlichkeitsanalyse. Mit der Identifikation wesentlicher Handlungsfelder bildet sie nicht nur den zentralen Bezugspunkt aller inhaltlichen Themen und Daten von Nachhaltigkeitsberichten. Ihr kommt vielmehr eine wesentliche Scharnierfunktion zu zwischen der rückwärtigen Betrachtung der Nachhaltigkeitsleistung einerseits und der Einschätzung, die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Kaum etwas hat in der Vergangenheit derart heiße Diskussionen in der Freigabe von Nachhaltigkeitsberichten ausgelöst wie die Materialitätsmatrix. Was ist wichtig, was ist weniger wichtig? Warum steht Korruptionsbekämpfung unten links? Nicht selten lässt sich eine Materialitätsmatrix nur mit umfangreichem Fußnotenapparat veröffentlichen.

Mit dem Einzug in den Lagebericht oder einer Darstellung im Integrated Report muss die Materialitätsbetrachtung sich fortan aber auch einem erweiterten Kreis von Anspruchsgruppen stellen. Das, was für Nachhaltigkeits-Stakeholder „material“ erscheint, kann für Analysten und Aufsichtsbehörden im Kapitalmarkt wenig relevant oder gar mit weitreichenden Konsequenzen verbunden sein. Während sich für Shareholder „materiality“ oft mit Haftungsfragen verbindet, bleibt das Commitment in der GRI-Systematik häufig eher im Ungefähren. Hier sind Konflikte programmiert. Das Problem unterschiedlicher Wesentlichkeitsdefinitionen stellt sich zusätzlich auch in dem aktuell vorliegenden Entwurf zur CSR-Richtlinie der EU.

„Können (oder wollen) wir das darstellen?“ – Vom schwierigen Umgang mit der „Konnektivität“

Die unter dem Begriff Leitprinzip der „Konnektivität“ vom IICR geforderte Verknüpfung von Informationen in einem integrierten Bericht repräsentiert vermutlich die wichtigste Neuerung im Berichtsmodell. Der ganzheitliche Blick auf die wesentlichen Werttreiber soll neue Erkenntnisse zur verbesserten Steuerung nachhaltiger Wertschöpfung ermöglichen. Ein beliebtes Beispiel zur Illustration des „Konnektivitäts“-Gedankens und der Verknüpfung finanzieller und nicht-finanzieller Kennzahlen ist der Zusammenhang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität sowie deren Einfluss auf das EBIT. Allerdings sind viele andere Ursache-Wirkungs-Beziehungen in den Unternehmen noch Neuland in der Datenlage und entsprechend komplex in der Aufbereitung durch das Controlling. Nichtsdestotrotz könnte sich die „Konnektivität“ als die kommunikationsbezogen spannendste Dimension des Integrated Reports erweisen, sind Unternehmen hier doch gefordert, wesentliche Wirkungszusammenhänge auf dem Weg zu einer nachhaltigen Unternehmenspraxis zu erkennen, zu interpretieren und das eigene Entscheidungsverhalten zu begründen. Es ist daher nicht überraschend, dass die „Konnektivität“ in den bisher vorliegenden Berichten eher noch gering ausgeprägt ist.

„Ist es klug, den Nachhaltigkeitsbericht aufzugeben?“ – Verliert sich der Nachhaltigkeitsbericht im Integrierten Bericht?

Zur Klarstellung: Ein Integrated Report ist kein Nachhaltigkeitsbericht. Auch wenn die Reportingrichtlinien wie GRI, IIRC, und die für Geschäftsberichte geltenden Regeln zusehends – in Richtung Kapitalmarkt – konvergieren, reicht ein Blick in die vorliegenden Berichte, um die Unterschiede zu erkennen. Nachhaltigkeitsberichte entstanden – über Vorgängerformate wie Umwelt- und Sozialberichte – aus einer ethischen Nachfrage spezifischer Stakeholder heraus. Anders als im Finanzbericht stand hier nie die Wirtschaftlichkeit und Profitabilität im Fokus der Erwartungen. Kunden wollten wissen, wie es hinter einem Produkt um den Umweltschutz oder die Menschenrechte bestellt ist. Lieferanten können hier frühzeitig erkennen, was auf sie zukommt. Mitarbeiter möchten sich mit einem „guten“ Unternehmen identifizieren. Und wer mit dem Gedanken spielt, sich bei einem Unternehmen zu bewerben, wird immer eher in den Nachhaltigkeitsbericht blicken, um das Unternehmen kulturell und ethisch zu verorten.

In Nachhaltigkeitsberichten fügen sich sehr unterschiedliche Handlungsfelder von Unternehmen zu einem Ganzen. Aus unterschiedlichsten Blickwinkeln zusammengefügt erzählen sie die Geschichte zur Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Wer in integrierte Berichte blickt, hat nicht selten den Eindruck, ein hoch sterilisiertes Informationsprodukt in den Händen zu halten. Diktion und Stil sind mitunter sehr stark vom rechtlich abgesicherten Formelduktus des Geschäftsberichts geprägt. Ansätze zum Storytelling bestimmen kaum das Gesamtbild, sondern erscheinen wie das Begleitgrün an der Wüstenstraße. „Highlights“ stehen wieder weitgehend für sich, ohne dass „Lowlights“ die Chance erhalten, deren Glaubwürdigkeit auszutarieren. Es fällt derzeit schwer, in Integrated Reports einen kommunikativen Fortschritt zu erkennen. Unternehmen sind daher gut beraten, sorgsam abzuwägen, inwieweit sie ein Übergang zum Integrated Report weiterbringt oder sie inwieweit sogar wichtige Vertrauensbeziehungen mit diesem Schritt aufs Spiel setzen.

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