Holger K. hat ein Problem. Seit wenigen Stunden weiß sein Unternehmen, ein niedersächsischer Wurstproduzent, von dem Verdacht, dass die Geflügel-Mettwurst des Unternehmens mit Salmonellen kontaminiert sein könnte. Die Behörden erwarten innerhalb von zwei Stunden eine Stellungnahme des Unternehmens. Zusammen mit dem eilig einberufenen Krisenstab macht sich K. daran, über die mittlerweile bekannte Chargennummer des Produktes den Produktions- und Lieferweg nachzuvollziehen. In der Vorbereitung eines möglichen Produktrückrufes gilt es jetzt dringlichst herauszufinden, ob sich noch Ware unter der Kontrolle des Unternehmens befindet und gesperrt werden kann und der anstehende Produktrückruf somit regional eingegrenzt werden kann.
Auch stellt sich die Frage, ob eine Verbraucheranfrage vom selben Vormittag in Zusammenhang mit dem Verdacht der Produktkrise steht. Das in der Mitte des Tischs liegende Krisenhandbuch hat für dieses Ereignis definierte Abläufe benannt. Aber der Ablauf stockt. Alle warten auf den befreienden Anruf aus der Produktion. Aber mit jeder Minute wird den anwesenden Krisenmanagern klarer, dass sie hier ein Problem mit dem bestehenden internen Rückverfolgbarkeitssystem haben. Es droht ein bundesweiter Produktrückruf mit allen damit verbundenen negativen Folgen. Tagesschau statt Lokalblatt. Nach einer kurzen Auszeit beschließt die Runde mit einer angepassten Annahme weiterzuarbeiten. Auszeit? Annahme? Mitten in der Krisenlage? Der Geschäftsführer nickt wortlos, von Panik keine Spur.
Vorbereitung für den Ernstfall
Holger K. und seine Kollegen befinden sich in keiner echten Krisensituation. Sie haben sich diese Krise bei den Beratern von crossrelations und dem auf Lebensmittelrecht spezialisierten Büro KWG Rechtsanwälte (Gummersbach/Brüssel) regelrecht bestellt. In einer Krisenübung soll überprüft werden, ob die Verfahrensanweisungen im Krisenhandbuch des Unternehmens mit der betrieblichen Praxis übereinstimmen. Die Kommunikationsberater und die Anwälte haben ein auf das Unternehmen zugeschnittenes Krisenszenario entworfen, das sich an real existierenden Bedingungen und Produkten festmacht. Hohe Realitätsnähe soll die Ernsthaftigkeit der Übung unterstreichen, den Akteuren aber auch vertrautes Terrain ermöglichen. Kaum ein Rechtsbereich ist so umfassend reguliert, wie die Produktion und der Umgang mit Lebensmitteln. Das heißt aber auch, dass unter dem Stress einer Krise viele Fehler in der Bewältigung gesetzlicher Auflagen passieren können. Reale Bedingungen und Echtzeit-Prozeduren sind Prämissen einer solchen Übung.
Ziel einer Krisenübung ist es, die Zusammenarbeit im Krisenstab, die betriebsinternen Abläufe sowie die Anwendbarkeit und Funktionalität der Krisenmanagementdokumente zu testen. Wesentliche Eckpunkte einer solchen Übung sind:
- Erarbeitung eines realistischen Szenarios mithilfe eines Drehbuchs, das sich an den Maßgaben nach IFS 6 Nr. 5.9.4 orientiert
- Entwicklung von realitätsnahen Szenarien zu den verschiedenen Bezugsgruppen, wie Verbraucher, Kunden, Behörden, NGOs und Medien
- die nach Möglichkeit reale Einbindung von bspw. Behörden oder Lieferanten.
- Ereignissteuerung über das Einspielen von Ereignis-Meldungen über verschiedene Kommunikationskanäle in Echtzeit
- Über eine von crossrelations bereitgestellte Hotline werden Anfragen besorgter Verbraucher eingespielt
Wer gut vorbereitet ist, minimiert den Schaden
Lebensmittelproduzenten haben in den zurückliegenden Jahren viel Anschauungsunterricht in Sachen Produktkrise erhalten. Sie haben Unternehmen studieren können, die einen großen Produktrückruf souverän bewältigt haben. Sie haben aber noch häufiger zusehen können, wie eine erhöhte Aufmerksamkeit von Behörden und Verbrauchern sich mit einer schonungslosen Medienpräsenz zu einer existenzbedrohenden Lage für Unternehmen ihrer Branche verband. Nicht selten stand am Ende einer solchen Eskalation eine hohe finanzielle Belastung durch den Produktrückruf bei gleichzeitigem Verlust von Schlüsselkunden. Gefragte Szenarien sind vor allem versehentliche oder vorsätzliche Produktkontaminationen mit möglichem Rückruf/Rücknahme, Erpressungen sowie negative Medienberichterstattung über das Unternehmen oder Produkte mit möglichem Reputationsschaden.
Für Holger K. und seine Kollegen in der Geschäftsleitung des Unternehmens hat sich der Stress heute gelohnt. Sie wissen, dass im Ernstfall der Druck simultaner Erfordernisse und auch die mentale Belastung weitaus gravierender auf die Entscheidungsprozesse einwirken. Dennoch: Sie haben eindrucksvoll erfahren, was im Ernstfall gut und was nicht gut funktioniert. Ein Evaluationsbericht hinterlässt ein paar Hausaufgaben, die nicht erst bis zur nächsten Krisenübung abgearbeitet sein sollten. Immerhin war die Gesamtleistung hinreichend gut, um am Ende der Übung ein Zertifikat zu erhalten, mit dem das Unternehmen gegenüber Kunden oder Zertifizierungsstellen fortan die Erfüllung der Anforderungen nach IFS 6 Nr. 5.9 nachweisen kann.
Sie sind an einer Krisenübung für Ihren Betrieb interessiert? Oder Sie suchen Unterstützung beim Aufbau eines Krisenmanagementsystems? Dann nehmen Sie Kontakt zu uns auf. Gerne stehen wir Ihnen für ein erstes Orientierungsgespräch zur Verfügung. Auf unserer Themenseite Krise erhalten Sie einen ersten Überblick.