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„Wir sind einigermaßen optimistisch“

Seit dem 19. Oktober 2016 gelten die GRI Standards und können angewendet werden. GRI hat eine Reihe von Dienstleistungen entwickelt, um die Anwender mit dem neuen Rahmenwerk vertraut zu machen. Was ist Ihr erster Eindruck? Werden die neuen Standards von berichtenden Unternehmen angenommen oder ist es nötig, weitere Überzeugungsarbeit zu leisten?

Wir wissen, dass wir unseren Stakeholdern immer erklären müssen, warum wir diese oder jene Änderung vorgenommen haben und worin der Nutzen dieser Änderungen für ihr Reporting liegt. Wir nehmen das bei GRI sehr ernst. Ich freue mich sagen zu können, dass die neuen GRI Sustainability Standards (GRI Standards) bisher sehr gut angenommen wurden. Seit wir die GRI Standards am 19. Oktober eingeführt haben, wurden diese bereits mehr als 26.000 Mal über den GRI Standards Hub heruntergeladen. Außerdem haben mehr als 1.200 Menschen an einem der weltweit durchgeführten 13 Standards-Einführungsevents teilgenommen. Darüber hinaus sind für dieses Jahr einige weitere Einführungsevents geplant. Zusätzlich haben mehr als 1.100 Menschen bisher an Webinars zu den neuen Änderungen teilgenommen. Die überwältigende Mehrheit des bisherigen Feedbacks war positiv.

Kritiker sagen, dass sich außer dem Wording und der Nummernfolge nichts Substanzielles verändert hätte. Was sagen Sie dazu? Warum erwarten Sie einen signifikanten Einfluss auf die Reportingqualität und Akzeptanz?

Die GRI Standards überführen alle Konzepte und Angaben aus G4 in eine verbesserte Struktur mit klareren Anforderungen. Der Inhalt ist nun einfacher und mit weniger Wiederholungen strukturiert. Den GRI Standards wurden keine neuen Themen hinzugefügt. Im Übergang von G4 zu den GRI Standards haben wir Wert darauf gelegt, den Fokus auf die Materialität zu erhalten und die Veränderungen zu den G4-Angaben und deren Systematik zu minimieren.

Außerdem wurden notwendige Klärungen hinsichtlich Pflichtinhalten („required“) und empfohlenen („recommended“) oder als Orientierung („guidance“) dienenden Inhalten vorgenommen. Dies macht es für Organisationen leichter zu erkennen, was und wie sie berichten müssen. Einige Schlüsselaspekte wurden ebenfalls präzisiert, wie beispielsweise die Berichterstattungsgrenzen oder die Interpretation von „impacts“ in der Materialitätsbetrachtung. Obwohl diese Präzisierungen geringfügig sind, so sind sie doch bedeutsam und werden zu einem belastbaren Reporting beitragen. Wir sind zuversichtlich, dass der Wechsel zu dem neuen Standard-Format insbesondere bei Regulierungs- und Aufsichtsbehörden das Vertrauen stärken wird, dass unser Reporting-Rahmenwerk zu 100 Prozent im öffentlichen Interesse ist und die  Nachhaltigkeitspraxis von Organisationen perfekt ergänzt.

Was raten Sie Organisationen, die den Übergang von G4 zu den Standards gerade verarbeiten? Was sind die Tücken, die bedacht werden müssen, wenn die an G4 orientierte Berichterstattung nun in die Standards übergeht?

Für Organisationen, die G4 bereits umgesetzt haben, werden die Veränderungen im Reporting-Prozess geringfügig sein. Die GRI Standards bauen auf den G4-Richtlinien auf. Sie wurden zu einem Set von modularen, zusammenhängenden Reporting-Standards neu geordnet. Trotzdem gibt es für Unternehmen wichtige Punkte beim Wechsel zu bedenken. Während es bisher für berichtende Organisationen ausschlaggebend war, die Berichtsprinzipien zu verstehen und passend anzuwenden, werden diese in den GRI Standards prominenter herausgestellt. Auch die Vorgaben zu den Berichterstattungsgrenzen wurden abgeändert und finden nun in den GRI Standards unter GRI 103 ihren Niederschlag im Management Approach. Außerdem wurde die Definition der „impacts“ in Bezug auf die Materialitätsprinzipien in GRI 101 (Foundation) überarbeitet. Darüber hinaus ist es wichtig, dass sich Organisationen auf die Standards beziehen. Dies wird erklärt in GRI 101: Foundation. Hier wird außerdem auch sichergestellt, dass sich Organisationen korrekt auf die angewandten Standards beziehen.

Die Materialitätsmatrix hat in der Berichtspraxis häufig zu intensiven Diskussionen geführt und wurde auch gerne mal fehlinterpretiert. Das Global Sustainability Standards Board der GRI (GSSB) hat das Konzept nun verändert und angepasst. Aber es gibt keine neuen Anforderungen wie Materialität zu bestimmen ist. Wie werden sich die Änderungen auf die Praxis auswirken?

Das Materialitätsprinzip an sich hat sich nicht gegenüber G4 verändert. Aber wir haben eine Präzisierung vorgenommen: Innerhalb des Prinzips bezieht sich „impacts“ fortan auf die Auswirkungen der Organisation (und deren Aktivitäten, Produkte und Dienstleistungen) auf Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft.

Wir haben diese Präzisierung vorgenommen, da es bei G4 manchmal tatsächlich zu dem Missverständnis gekommen ist, die Auswirkungen auf eine Organisation in den Mittelpunkt zu stellen, wie zum Beispiel Risiken für das Geschäftsmodell oder die Reputation eines Unternehmens. Auch wenn die GRI Standards anerkennen, dass die Auswirkungen einer Organisation auch mit unmittelbaren Konsequenzen für die Organisation verbunden sein können, steht das Letztere nicht primär im Fokus der Nachhaltigkeitsberichterstattung, wenn GRI Standards angewandt werden. Darüber hinaus haben wir in den Angaben 102-46, in GRI 102: General Disclosures, erklärt, dass Organisationen dazu angehalten sind zu erläutern, wie sie das Materialitätssprinzip angewandt haben.

Eine der vielleicht wichtigsten Neuerungen ist die Möglichkeit, über spezifische Aspekte zu berichten, die in einem Unternehmen als wesentlich identifiziert wurden und die nicht durch einen bestehenden GRI Standard abgedeckt werden. Wie sind hier Ihre ersten Erfahrungen?

Es ist noch zu früh dazu eine Aussage zu treffen, da noch keine an den erst kürzlich veröffentlichten GRI Standards orientierten Berichte vorliegen. Man darf nicht vergessen, dass für die meisten Organisationen ein Berichtszyklus ein ganzes Jahr umfasst. Nichtsdestotrotz erwarten wir, dass diese Neuerung Nachhaltigkeitsberichte ermöglichen wird, die in Übereinstimmung mit den GRI Standards zu einem verlässlicheren Gesamtbild der Wesentlichkeit einer Organisation beitragen und nachvollziehbar machen, wie die damit einhergehenden Auswirkungen gemanagt werden. Wir wissen, dass viele Unternehmen dies bereits korrekt praktizieren, aber es hat auch immer wieder Missverständnisse und Verwirrung gegeben. Diese Neuerung gibt Organisationen übrigens auch die Möglichkeit ihren GRI-Bericht für andere Rahmenwerke zu öffnen, wenn zum Beispiel ein spezifisches Thema nicht von den GRI Standards abgedeckt wird. Das wird dazu beitragen, die Anschlussfähigkeit der Reportingstandards untereinander zu verbessern und auch den Reportingaufwand zu reduzieren.

In der Vergangenheit wurde kritisiert, dass es zu einfach wäre, Übereinstimmung mit den Guidelines geltend zu machen, ohne diese tatsächlich zu erfüllen. Mit den neuen GRI Standards wird sich hierbei nichts ändern. Warum ist das GSSB damit nicht entschlossener umgegangen?

Eine externe Validierung wird auch in den GRI Standards weiterhin dringend empfohlen, allerdings erkennen wir an, dass das nicht für alle Organisationen angemessen sein mag. Wir wollen zu einer universellen Nachhaltigkeits­berichterstattung beitragen und einer großen Vielfalt von Organisationen ermöglichen, die Standards anzuwenden. Die Praxis der externen Validierung von GRI-Berichten nimmt weiterhin zu. Wir sehen nicht nur die steigende Anzahl der geprüften GRI-Berichte, sondern auch den wachsenden Umfang der Angaben, die von Prüfungen abgedeckt werden.

Nichtsdestotrotz ist es noch ein weiter Weg, bevor wir sagen können, dass die Mehrheit der Berichte extern geprüft wurde. GRI hat immer schon empfohlen, Berichte extern überprüfen zu lassen. Auch wenn damit Kosten verbunden sind, liefert die externe Validierung einen echten Mehrwert für interne und externe Entscheider. Niemand hinterfragt den Nutzen, einen Geschäftsbericht durch einen neutralen Dritten verifizieren zu lassen. Es verbessert einfach die Nachvollziehbarkeit und Verlässlichkeit der berichteten Inhalte. Wir bei GRI glauben, dass dies auch für die Nachhaltigkeitsberichterstattung gelten sollte. Außerdem werden die neuen GRI Standards die externe Überprüfung zu einem einfacheren Prozess machen. Die Standards werden klarer zwischen Anforderungen, Empfehlungen und Orientierungshilfen unterscheiden, was es beiden Seiten – der berichtenden Organisation wie den Prüfern – erheblich erleichtern wird, zu erkennen, was wie zu berichten ist.

Als die G4 Richtlinien eingeführt wurden, dauerte es eine Weile bis eine relevante Anzahl an Reports nach diesen Richtlinien veröffentlicht wurde. Wird es bereits vor dem Stichtag der Umstellung 2018 eine signifikante Anzahl an Berichten nach dem neuen Standard geben?

Natürlich können wir die Zukunft nicht mit Sicherheit vorhersagen, aber wir sind aus mehreren Gründen vorsichtig optimistisch. Zum einen haben wir gesehen, dass die Organisationen durchaus bestrebt waren, zu G4 zu wechseln, sodass wir guter Dinge sind, dass dies auch beim Wechsel zu den GRI Standards der Fall sein wird, zumal es inhaltlich nur geringfügige Änderungen gibt. Zum anderen erhalten wir sehr positives Feedback seitens der Berichterstattungspraktiker, die unsere zahlreichen Auftaktveranstaltungen besucht oder an einem unserer Webinare teilgenommen haben.

Ermutigt hat uns auch das große Interesse der Mitglieder unserer GOLD Community (Anm. der Redaktion: ehemals Organisational Stakeholder (OS)). Mit den GRI Standards Pioneers hat GRI zudem eine exklusive Gruppe berufen, die den Übergang zu den Standards aktiv begleiten wird. Bereits 120 Organisationen, darunter auch crossrelations, haben sich für das Programm angemeldet, welches ihnen einen direkten Zugang zu GRI Experten ermöglicht, die ihnen während des ersten Berichtszyklus‘ mit den GRI Standards zur Seite stehen.

Tauchen Sie auf unserer Themenseite auf dem Blog tiefer in das Thema Reporting ein.